Ich bin mittlerweile 15 und habe schon reichlich Erfahrung auf dem Gebiet Mobbing sammeln müssen. Seit ich nach der vierten Klasse auf meine neue Schule gekommen bin, ging es eigentlich los, dass ich von meinen Mitschülern geärgert und gehänselt wurde. Die meisten Jungen und Mädchen kannten sich schon vorher aus der Grundschule und waren von Anfang an miteinander befreundet.
Dadurch war ich sofort eine Außenseiter in und das perfekte Opfer für ihre Mobbingattacken. Ich hatte gar keine richtige Chance, die anderen besser kennenzulernen, weil sie sofort dicht gemacht haben und nur in ihrer Clique abgehangen haben. Dadurch war es für mich total schwer, mich ihnen anzunähern oder meine Mitschüler besser kennzulernen.
Außerdem war ich ziemlich gut in der Schule und wurde von meinen Mitschülern sofort als Streber und Lehrerliebling abgestempelt. Dabei habe ich gar nicht besonders viel pauken müssen oder mich Nachmittags in meinem Zimmer eingeschlossen, um zu lernen. Im Gegenteil: ich hatte viele Hobbies und einfach Glück, dass mir das Lernen so leicht gefallen ist. Das hat aber den Neid der anderen auf mich gezogen und meine Situation auf der neuen Schule nicht unbedingt leichter gemacht.
Jeden Tag musste ich die verbalen Angriffe der anderen über mich ergehen lassen und mir die schlimmsten Schimpfwörter anhören. Du blöde Strebersau, Arschkriecher, sämtliche Deine-Mutter-Witze und Assibraut waren nur einige davon und da sind die schlimmsten Wörter noch nicht mal dabei.
Zu den Lehrern konnte ich auch nicht gehen, weil dann hätte ich auch noch als Petze dagestanden und die anderen hätten es ohnehin abgestritten. Vor den Lehrern waren sie nämlich arschnett und haben sich nichts anmerken lassen. Aber vor dem Unterricht und in den Pausen wurde ich nicht verschont.
Es ging sogar soweit, dass manche Mädels handgreiflich wurden und mir auch an den Haaren gezogen haben, wenn sie hinter mir gelaufen sind, den Ranzen über den Kopf gestülp haben, meine Sachen bemalt haben oder mir blöde Zettel mit Sprichwörtern an meine Jacke geklebt haben.
Jeden Tag war ein absoluter Albtraum für mich und ich wollte irgendwann gar nicht mehr zur Schule gehen. Mit meinen Eltern konnte und wollte ich auch nicht darüber reden, weil es mir irgendwie peinlich war, so ein Außenseiter zu sein und ich meinen Eltern nicht erklären wollte, warum ich gemobbt wurde. Ich wusste es ja schließlich selbst nicht und habe immer mehr dicht gemacht.
In der Zeit habe ich auch öfters krank gespielt und Kopfschmerzen und Bauchschmerzen vorgegaukelt, in der Hoffnung, ein paar Tage zu Hause bleiben zu können. Das hat am Anfang auch noch ganz gut funktioniert, aber irgendwann haben meine Eltern schon bemerkt, dass ich mich verändert habe und etwas nicht stimmt.
Irgendwann haben sie mich dann gefragt, ob in der Schule alles ok ist und da ist es dann aus mir rausgebrochen. Ich habe sofort angefangen zu weinen und ihnen alles erzählt – die Beschimpfungen und körperlichen Erniedrigungen. Sie waren total geschockt und wussten erst mal gar nicht, was sie dazu sagen sollen. Sie haben mich einfach nur in den Arm genommen und gesagt, dass wir das schon wieder hinkriegen und wir eine Lösung finden werden.
Ich hatte total Angst, dass das alles rauskommt und im schlimmsten Fall sogar eine Aussprache stattfinden würde. Ich wollte meinen Mitschülern nämlich auf keinen Fall gegenübertreten und als Heulsuse da stehen. Das würde eh alles nur schlimmer machen und ein Gespräch allein würde sicher nicht reichen, um das Mobbing zu beenden.
Mit meinen Vermutungen sollte ich leider Recht behalten. Meine Eltern haben meine Klassenlehrerin auf die Situation hingewiesen, die dann das Thema “Mobbing” in der Klasse angesprochen hat. Das war mir total peinlich und am liebsten wäre ich im Erdboden versunken. Der Effekt war natürlich genau der, den ich vorher gesagt habe. Anstatt irgendetwas aus dem Gespräch mit der Lehrerin zu lernen, wurde es für mich danach nur noch schlimmer. Zwar haben sie mehr aufgepasst, dass sie mich nicht vor Lehrern beschimpfen, aber die Pausen waren noch genauso unerträglich wie vorher.
Irgendwann habe ich die Hoffnung aufgegeben, dass es jemals besser werden würde und meinen Eltern gesagt, dass ich die Schule wechseln möchte. Die haben Gott sei Dank zugestimmt und zusammen haben wir eine neue Schule für mich ausgesucht.
Da war ich dann zwar wieder ein Neuling, aber meine Mitschüler dort waren total anders. Sie haben sich von Anfang an für mich interessiert und waren neugierig, wer ich war und wollten mich kennenlernen. Auf unserer gemeinsamen Busfahrt zur Schule habe ich mich sofort mit einigen Mädels super verstanden und wir haben uns direkt angefreundet.
Das war eine totale Erleichterung für mich und der ganze Druck aus dem letzten Schuljahr ist wie ein riesen Stein von mir gefallen. Irgendwann habe ich nämlich angefangen, die Schuld bei mir zu suchen und an mir selbst zu zweifeln. Aber Gott sei Dank habe ich mich von den Leuten nicht unterkriegen lassen und bin froh, dass ich mich entschlossen habe, mit meinen Eltern darüber zu reden. Eigentlich hätte ich das schon viel früher machen sollen, dann hätte ich mir eine Menge Leid und Qualen ersparen können.
Auf jeden Fall bin ich froh, dass an meiner neuen Schule alles super läuft und ich werde hoffentlich nie wieder solche Schlimmen Erfahrungen machen müssen.
Bildquelle: D.Sharon Pruitt (CC BY 2.0)