Eigentlich verstehen sich meine Mutter und ich ganz gut, ich hab relativ viele Freiheiten und sie ist nicht so eine Glucke wie die Mütter von anderen Freundinnen. Trotzdem haben auch wir uns manchmal in den Haaren und an unseren ersten heftigen Streit kann ich mich noch gut erinnern.
Ich war in der vierten Klasse und ziemlich gut in der Schule. Ich musste mich nicht großartig anstrengen, um gute Noten zu schreiben und hatte somit viel Zeit in meiner Freizeit machen zu können, was ich will. Lernen musste ich so gut wie nie, meine Mutter hat nicht meine Hausaufgaben kontrolliert und ich konnte immer mit meinen Freunden zum Spielen rausgehen und meine Kindheit in vollen Zügen genießen 🙂
Das war jedenfalls solange der Fall bis meine Mutter auf die Idee kam, mich von meiner Schule runterzunehmen und aufs Gymnasium zu schicken. In Berlin hätte man eigentlich bis zur 6. Klasse in die Grundschule gehen müssen und nur einige wenige Schulen haben einen schon ab Klasse 5 aufgenommen.
Da meine Mutter dachte, dass ich unterfordert bin, hat sie ohne mein Einverständnis oder mich zu fragen einen Vorstellungstermin bei der neuen Schule ausgemacht und mir eines Tages mitgeteilt, dass ich ab dem nächsten Schuljahr dann nicht mehr auf die gleiche Schule gehen würde.
In dem Moment ist für mich eine Welt zusammengebrochen. Alles, woran ich denken konnte war, dass mein ganzer Alltag und mein Leben auf den Kopf gestellt wird. Ich würde meine Leherer nie wieder sehen, einen viel längeren Schulweg haben und am schlimmsten: meine Freunde nicht mehr jeden Tag sehen.
Das war für mich das schlimmste und ich bin sofort in Tränen ausgebrochen und hab ihr gesagt, wie bescheuert ich sie gerade finde und was sie sich einbildet, solche Sachen einfach über meinen Kopf hinweg zu entscheiden. Ich konnte nicht fassen, dass sie mich nicht einmal gefragt hat, was ich davon halte und wie es mir dabei geht.
Ich bin in dem Moment total ausgerastet, hab meiner Mutter gesagt, sie soll aus meinem Zimmer verschwinden und hinter ihr die Tür zugeknallt.
Sie hat dann auch angefangen mich anzuschreien und gemeint, dass ich solche Entscheidungen noch gar nicht treffen könne in meinem Alter und ich gar nicht wissen würde, was für meine Zukunft das richtige sei.
Danach musste ich noch mehr heulen und habe mir geschworen, nie wieder ein Wort mit meiner Mutter zu reden. Die nächsten Tage waren sehr anstrengend. Ich hab sie total ignoriert und ihr immer wieder gesagt, dass ich zu diesem blöden Termin nicht gehen würde und ich auf meiner Schule bleibe. Egal, was sie will.
Das hab ich mir natürlich so einfach vorgestellt. Aber selbst dass ich mich in meinem Zimmer eingeschlossen hab, hat nichts geholfen. Nach Androhung von mehreren Wochen Hausarrest bin ich dann doch widerwillig mitgekommen und habe mir fest vorgenommen, mich dort in der neuen Schule total daneben zu benehmen.
Mit festgefrorenem Gesicht und eiskalter Miene hab ich dem Direktor die Hand geschüttelt und auf sämtlich Fragen nur eine patzige Antwort gegeben. Meine Mutter hat in der Zeit versucht, das Gesicht zu wahren und mit einem netten Lächeln versucht, meine schlechte Laune zu überspielen.
Nach einer halben Stunde war schon wieder alles vorbei und wir sind nach Hause gefahren. Im Auto kamen mir schon wieder die Tränen und das Gefühl der totalen Hilflosigkeit hat mich übermannt. Ich wollte nicht auf diese Schule, ich wollte nicht meine Freunde verlieren und habe mir vor allem gewünscht, dass meine Mutter sieht, wie schlecht es mir geht.
Das Ende vom Lied war, dass mich die neue Schule angenommen hat und ich keine Wahl hatte. Meine Mutter habe ich dafür gehasst in dem Moment und wirklich lange versucht, ihr das Leben schwer zu machen. Als ich dann meinen ersten Schultag in der neuen Schule hatte, war es aber nicht mehr ganz so schlimm. Ich habe schnell viele neue Freunde gefunden und mich nach der Schule immer noch mit meinen alten Schulkollegen getroffen.
Auch wenn ich mit meiner Mutter nie drüber gesprochen habe, hat sich unser langwieriger Streit irgendwann von allein wieder eingerengt. Ich habe einfach aufgehört sauer zu sein und mich mit der neuen Situation abgefunden. Ob meine Mutter was daraus gelernt hat, weiß ich nicht. Jedenfalls war das der erste richtige Streit mit ihr und es sollten noch viele mehr in meiner Pubertät folgen…
Bildquelle: Julien Haler (CC BY 2.0)